Februar-Biwak-Wochenende

Die fiesen Temperaturen wirken leider immer noch in zwei meiner Fingerkuppen nach und die Erkenntnis, bei extremen – also zweistelligen – Minustemperaturen (noch) nicht zu biwakieren, hat sich erst einmal festgesetzt. Zwar war es am letzten Wochenende wärmer, aber meinem kleinen Mail-Aufruf ist keiner gefolgt. So startete die Tour im Rahmen der freitäglichen Firmenausfahrt mit David und Kai, einem guten Freund des Hauses, der auch die Bilder hier gemacht hat. Die Idee war es, von Göttingen zu Freunden nach Verl zu fahren, und dort morgens mit frischen Brötchen meine Familie zu treffen.

Wir starteten gegen 15.00 Uhr bei bedecktem Himmel aber frühlingshaften Temperaturen um die 7 °C.

 

Aus der Stadt raus ging es über die alte Bahntrasse Göttingen- Hann.Münden (hier ein Link auf eine Knallerseite zur Planung solcher Fahrten).

Auf der ersten Höhe sind wir dann westwärts Richtung Imbsen und dort auf den Pilgerweg Loccum Volkenroda gewechselt.

Durchs Niemetal rauschten wir mit nur einem kleinen Fotostop … der Trail ist im Sommer bei Trockenheit der Hammer und auch ideal, um mit Kindern zu fahren!

Vor (mit unseren voll gesauten Klamotten wollten wir deren Einrichtung nicht foltern, da haben wir einfach den Freisitz eröffnet) der Klostermühle gab es dann einen Kaffee und Kuchen.

Nach dem Mahl trennten sich unsere Wege, David und Kai machten sich mit sattem Rückenwind gen Göttingen auf und ich Weser abwärts Richtung Gieselwerder um dort die Weser zu überqueren. So weit so gut! Zu dem Zeitpunkt sogar noch bestens: Trotz Gegenwind ging es gut voran. Gieselwerder hatte sogar eine Tankstelle zu bieten (Cola, Erdnüsse, Dosen-Kaffee und ein Malzbier …).

Jetzt musste sich der GPS-Track, der am Vorabend entstand, bewähren. Ich kreuzte die B80 und wollte den „GPSies-folge-Fußweg-Funktion-ersonnenen-Track“ durch den Wald Richtung Helmarshausen folgen. Selfsupportfahrten sind immer Abenteuer. Dass dies aber gefühlte fünf Meter nach dem Ende des bekannten Terrains startet, hatte ich so nicht erwartet: Die Wanderkarte am Waldrand suggerierte noch Fahrfreuden und wies den X14-Weg Richtung Helmarshausen aus. Dummerweise verließ dieser nach wenigen Meter den breiten Waldweg und führte schnurstracks den Hügel hoch. Steil, dunkel, kalt – und seit Jahren von keinem Menschen, und schon gar keinem Biker genutzt: schieben, zerren und wuchten. Puls 175 bei 4,5 km/h … Flow fühlt sich anders an. Sei’s drum … Verl rief und war noch weit!

Trotz reichlich Licht konnte man die nächsten Wege im Wald nur erahnen. Die Maxime war nun, sich gipfelwärts bis zum Kreuzen eines besseren (echten!) Weges durchzuschlagen und dort kartengestützt in die eine oder andere Richtung zu fahren, und sich Richtung Helmarshausen zu hangeln. Mit einer längeren Passage über die B80 gelang dies – kaum eine Stunde hinter dem ungünstigsten angenommenen Zeitplan. Die Stimmung lag aber nicht darnieder, weil ich mir auch einen Straßentrack zum Ziel zusammengebaut hatte. Beide kreuzen sich im Verlauf mehrfach, ich konnte also zappen. Dazu hatte ich noch die Radwegebeschilderung und einen Kartenausdruck, kam mir also nie verloren vor. Dennoch war mein Ideal, gemütlich über Waldwege durch die Nacht zu rollern, ad acta gelegt. Nach Beverungen ging es gut, ein bisschen Hangeln und ich war nahe Bad Driburg. Zu schade nur, dass ich es wieder einmal wagte, meinem ursprünglichen Track zu glauben: Schieben, Fluchen, Zerren!

Hinter Altenbeken tauchte eine super Biwakhütte auf, die ich aber passierte, weil ich noch mehr Meter hinter mich bringen wollte, um am Morgen weniger vor mir zu haben. Ich hatte aber die Ordnung und Kohle der Ost-Westfalen nicht auf meinem Plan: Als ich ab Neuenbeken nach einem Biwakplätzchen suchte, musste ich feststellen, dass dort alle Schulen nachts beleuchtet sind, alle Sportplätze entweder abgeschlossen oder von der Dorfjugend belagert werden und generell der Hang zu sehr hohen Zäunen mit Stacheldraht besteht. Wer hätte da gedacht, dass die Armee meine Rettung sein würde. Um 1:15 Uhr rollte ich meinen Schlafsack im Schlagbaum-Häuschen zur Einfahrt ins Militärgebiet Sennelager aus. Perfekt: Der Stellplatz für die Militärwagen war überdacht und bot Rad, Ausrüstung und mir einen windgeschützten Platz. Die Suppe schmeckte vorzüglich, ein paar Nüsschen und das Malzbier, schon hatte ich die nötige Bettschwere nach etwa 125 km Geländefahrt in gut neun Stunden erreicht. Zu dumm, dass alle paar Minuten ein Auto vorbei kam. Zum Glück keine Soldaten, die den Schlagbaum in Betrieb nehmen wollten. Und am Morgen genoss ich es, ein Dixi-Klo in direkter Nachbarschaft zu haben … Die letzten 20 Kilometer starteten um 6:00 Uhr, es war schattig (3 °C) und reichlich nebelig. Um 7:15 Uhr stand ich in Verl beim Bäcker und habe mich reichlich eingedeckt.
Eine Dusche, ein Frühstück, viel Kaffee und nach der Radwäsche war die Welt endgültig in Ordnung. Wer braucht schon Sommerfahrten auf perfekten Tracks … Abenteuer geht immer und überall!

Ach ja, der Walter war auch unterwegs am Wochenende. Hier seine Bilder:

 

 

3 Comments

  1. David S. Mittwoch, der 29. Februar 2012 at 14:48

    Der beste Satz aus Deinem Bericht: „Wer braucht schon Sommerfahrten auf perfekten Tracks … Abenteuer geht immer und überall!“
    Hoffentlich wird die „neue“ GST nicht nur Waldautobahn…Plattenwege und zugewachsene Pfade waren ein anspruchsvoller und willkommener Härtetest im letzten Jahr. Und sie trennen Spreu vom Weizen, hehe.
    Das werde ich 2012 wohl vermissen…das „Schieben, Fluchen, Zerren“

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  2. walter Mittwoch, der 29. Februar 2012 at 21:43

    Hi Gunnar,
    perfekte und vor allem abwechslungsreiche 145km, Respekt :-)
    Wobei, ich hätte bei MalzBIER auf das MALZ verzichtet :-)

    @David: keine Bange: Zumindest auf dem Teilstück, welches ich geplant habe (Sonneberg > Blankenstein) hab ich ein bißchen „Urwald“ und „Rasengittersteine“ integriert ;-)

    Selfsupport, Yeah !!!

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  3. David S. Donnerstag, der 1. März 2012 at 09:41

    Du bist spitze Walter!!! Bin am Samstag zwischen Travemünde und Bleckede unterwegs – aber da wird nicht viel Urwald rauszuholen sein:-(

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