Blue Dots turn into tears: Ride in Peace, Mike!

Die Endlichkeit des fleischlichen Seins gilt für uns alle: Ob arm, ob reich; ob schlau, ob dumm; ob schnell, ob langsam!
Es sollte der große Morgen des „The Indian Pacific Wheel Race“ werden. Das große Finale nach über 5.000 Kilometer unglaublicher Battle zwischen Kristof Allegaert und Mike Hall. Die kleinen Punkte auf der Landkarte verfolgen. Mitfiebern. Mitpedalieren. Mitleiden. Mitnichten! Aus den virtuellen „Blue Dots“ (wie die Punkte wegen der Farbgebung beim Tracking-Pionier „Trackleaders“ heißen) wurde traurige Realität. Heute Morgen kam Mike Hall bei einem Unfall mit einem Auto in den südlichen Außenbezirken von Canberra ums Leben (The AustralianCyclingtipsABC-AustraliaThe Border Mail). Das Rennen wurde abgebrochen.

Fassungslos schaue ich auf den Rechner. Aus dem oftmals hasserfüllten Facebook ist (zumindest in meiner Filterblase) ein digitales Kondolenzbuch geworden. Und ich erinnere mich an Dave Blumenthal, der im Sommer 2010 bei der Tour Divide tödlich verunglückte. Damals schrieb ich:

„Selbstversorgerfahrten sind ein großes Abenteuer. Man weiß nicht, was auf dem nächsten Meter passiert. Selten ist klar, welche Entscheidung in der jeweiligen Situation die richtige ist. Man startet zur Grenzsteintrophy, zur Tour Divide oder zum Arizona Trail Race mit Respekt, dem Gefühl zu Großem im Stande zu sein und der Gewissheit, dass die Dinge ihre eigene Dramaturgie entwickeln werden … jeder Meter birgt Risiken und Chancen. Jeder Meter bringt einen weiter dem Ziel entgegen. Und bei manchem Meter kommt auch das Bewusstsein ein Stück weiter.
Meist sind es diese Momente, die einem in Erinnerung bleiben; die Lohn für die Strapatzen sind; die einen weiter pedalieren lassen. Der Fahrtwind bläst die Sorgen weg. Der Fahrtwind kühlt den Kopf, der vom Alltagsstress glühend heiß geworden. Dieses Ultimative jeden Momentes macht den Reiz der Selbstversorgerfahrten aus. Dass der Reiz nicht als Gefahr/Risiko wahr genommen wird, liegt in einer ureigenen Selbstsicherheit begründet: Man stellt vielleicht das Angekommen im Ziel in Frage; nicht aber die eigene Existenz. Man ist sicher, dass man den Fahrtwind auch nach dem Ziel spürt; dass man weiter rollert durchs Leben und bei nächster Gelegenheit wieder beherzt ins Pedal treten kann. Es ist eine fast kindliche Naivität oder Selbstverliebtheit, die Risiken zum Reiz verklärt. Doch erst dieser Selbstbetrug ermöglicht das „Unmögliche“.
Nein, nicht dass ich Dave persönlich gekannt hätte. Nicht, dass ich je einen Meter neben ihm geradelt bin. Nicht, dass ich seinen Blog je las. Und dennoch verbindet mich viel mit ihm. Wie wohl mit jedem, der je auf eine Selbstversorgerfahrt gestartet ist. Ganz egal, was für ein Mensch Dave war. Ganz egal, wie „gut“ er Rad fuhr. Ganz egal, welche Ambitionen er auf der Strecke verfolgte. Es ist das Risiko, das uns verbunden hat. Nenne es „Selbstverwirklichung“ oder „unnötiges Risiko im Sport“; nenne es „den Reiz des Lebens“ oder nenne es schlicht „Leben 1.0“. Wer in Fahrt ist, der kann auch endgültig ausgebremst werden. Das sollte man stets im Blick haben … wenn man erneut startet. Denn es ist kein Grund, eine Fahrt nicht zu starten; es ist der Grund, besonnen zu fahren. Auf dem Track wie im (restlichen) Leben!“

Ich habe Mike 2013 in The Outdoorsman von Rob Leipheimer in Butte persönlich kennengelernt! Was soll ich schreiben? Seine Art war sportlich und menschlich sehr inspirierend. Er hat vor unseren Augen die Grenzen der Möglichkeiten verschoben! Der 35-Jährige hat das Transcontinental ins Leben gerufen, die Tour Divide, das Trans Am und das World Cycle Race gewonnen. Du wirst fehlen. Ein Platz bleibt nun leer. Nicht nur auf dem Podium. Auch in den Herzen. Unser Mitgefühl geht an seine Familie und engsten Freunde. Möge seine Stärke, die er auf dem Rad immer wieder zeigte, uns Inspiration sein, seinen Verlust zu verschmerzen.

Aber du mahnst uns auch! Das Ende kommt bisweilen abrupt und unerwartet. Keine Chance, noch etwas zu machen, zu regeln oder auch zu korrigieren. Und so ist der Tod des Einen auch immer eine Mahnung zum Leben für die Anderen. Mike, wir werden deiner Gedenken! Auf dem Rad! Mit dem Rad!

Ride in Peace, Mike!

3 Comments

  1. Stefan Freitag, der 31. März 2017 at 09:30

    Danke!

    Reply
  2. Andre Samstag, der 1. April 2017 at 21:51

    Only the good die young. Ride in Peace, Mike!

    Reply
  3. Pingback: Podcast 96 – 200 Years and Counting. Das Jahr 2017 mit Gunnar Fehlau | Fahrradio

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