Radfahren macht Spaß. Dieser Spaß hat viele Aggregatzustände. Jeder hat dabei sein eigenes Ranking. Ich finde es immer wieder spannend, wie meine Stimmung und meine Fitness in einem direkten Zusammenhang stehen. Dabei halte ich mich nicht an absoluten Werten (Wattschwellen) oder Vergleichen mit anderen auf. Es geht um mich. Wie fühlt sich das Fahren an? Mal genieße ich den Flow, wenn es einfach rollt; ein anderes Mal fasziniert der Reiz, über möglichst lange Zeit genau der Kante zum Kollabieren zu pedalieren. Am feinsten ist es, sich aus Löchern heraus zu pedalieren: Gerade noch dicke Beine oder alle im Kopf, jetzt wieder locker rollend. Und dann gibt es da noch die Momente, in denen das Fahren an sich völlig in den Hintergrund gerät und ich Gedanken verloren dahingleite oder die Umgebung mit voller Intensität auf einen wachen, sensiblen und interessierten Geist trifft. Dann kann ich mich an keine Kurbelumdrehung erinnern, sehr wohl aber an einen einzelnen Vogelschrei oder das Geräusch des Windzugs durch die Birkenkronen entlang der Landstraße.
Letzte Woche war ich auf Malle bei Sport Import und hatte nicht nur die Gelegenheit, gute 500 Kilometer mit der SRAM Red eTAP Funkschaltung zu fahren (Mein Urteil: Das ist die Zukunft!), sondern konnte auch mit echt fitten Leuten fahren.
Das fühlte sich einerseits an wie ein Viertliga-Verein im DFB-Pokal: Das große Hoffen auf eine Sensation, gepaart mit dem Wissen, dass alles schnell vorbei ist, wenn der Favorit das Spiel ernst zu nehmen beginnt. So lange die schnellen und leichten Fahrer am Gipfel zu warten bereit waren, konnte ich mitfahren. In der Ebene blieb ich zu mindestens flüssig im Peloton. Bergab gab es – wie immer – keine Probleme. Kurz gefasst: Viel Spaß gehabt, der ohne Training nicht denkbar gewesen wäre.
War das Intervall-Gehacke auf der Radbahn doch für was gut. Aber mal ehrlich, eigentlich macht es auf seine Weise ohnehin Spaß und bringt dann auch „Wums“ in die Beine.
Damit das Ganze klappt, braucht es drei Zutaten: Ersten einen Test, zweitens eine Leistungsmessung am Rad und drittens ein planvolles Vorgehen.
- Meine Erfahrungen mit dem Staps-Test sind sehr gut. Der wirkt bei ersten Mal wenig zielführend und ist leider – bei meinem Fitnessstand – dann doch immer schnell vorbei. Aber er zeigt exakt, wo man steht und weist den Weg, was zu tun ist.
- Das Thema Leistungsmessung am Rad hat in den letzten Jahre mächtig Tempo aufgenommen. Vorbei die Zeiten, in denen Leistungsmessung den Gegenwert eines kompletten Fahrrades gekostet hat. Ich habe mit SRM, PowerTap und Quarq gute Erfahrungen (die Reihenfolge entspricht dem Umfang meiner Erfahrungen, ist aber keine Wertung).
- Der Plan ist nach meiner Erfahrung der kritischste Punkt in der Sache: Erstens verdreht er das Wirkprinzip des Radfahrens: Vom „oh, ich habe Lust, jetzt zu fahren“, hin zum „heute steht XYZ auf dem Plan“. Damit kommt ein strategisches Moment ins Lust-Radeln rein. Nicht jeder kann damit umgehen: Je nach dem was der Plan vorsieht, tritt der situative Genuss zugunsten der Vorfreude und Genugtuung in den Hintergrund. Das ist ein bisschen wie Aufräumen: Es macht nicht immer Spaß, aber die Vorfreude auf Ordnung und die Genugtuung im Anschluss, dass alles wieder an einem Platz ist, bilden ein solides Gegengewicht. Manches Mal überwiegt dieses, bei anderer Gelegenheit, reicht es nicht und man denkt sich, eigentlich wäre ich doch lieber einfach so nach Lust und Laune über die Lande gefahren. Es ist eine hohe Kunst, einen Plan zu schreiben, der diesen verschiedenen Gemütslagen, dem Zeitbudget und einem „sportlichen Ziel“ gleichermaßen gerecht wird. Das verlangt bisweilen niederschmetternde Ehrlichkeit vom Sportler und vom Trainer … vor allem, wenn es einfach nicht zusammenpasst …
Meine Radsportvita liest sich aus Trainersicht ohnehin etwas durcheinander gewürfelt: 1990 Deutscher Meister im Liegeradsprint, 1991 erste Mal Trondheim-Oslo, 1994 erste Trainingslager, 1995 erste Fahrten mit einer SRM-Kurbel, 1998 erste TransAlp, 2000 erster Leistungstest, 2007 erste Fahrtendokumentation und Paris Brest Paris, 2009 erste Grenzsteintrophy, 2010 erster Trainingsplan, 2013 erster Trainingsplan mit intensiven Intervallen und Start bei der Tour Divide. 2014 Abschied vom kompetitiven Radsport (ich fahre für mich!) und Fokus auf Radabenteuer wie „Oslo-Trondheim im Winter“ oder „Tuscany Trail„. Das hätte man in eine sinnvollere Reihenfolge bringen können. Damit ist man aber mitten im „Optimierungswahn der westlichen postmodernen Überflussgesellschaft“: Ich fahre, weil es mir Spaß macht und ein wenig Systematik dabei sorgt dafür, dass ich trotz schmalen Zeitbudgets echte Abenteuer in Angriff nehmen kann! Auch dafür kann Leistungsmessung und spezifisches Training gut sein, schließlich muss es nicht immer um Edelmetall gehen!
Wie auch immer, man muss gar nicht mehr zu Staps, die kommen sogar zu einem, fast jedenfalls: Die sind gerade auf Tour: Hier die Details – Link